Voraussetzungen der Videoüberwachung
Voraussetzungen gemäß § 30 SächsPBG
Nach § 30 Absatz 1 Nr. 1 Sächsisches Polizeibehördengesetz (SächsPBG) können Gemeinden in ihrer Funktion als Polizeibehörden personenbezogene Daten in öffentlich zugänglichen Räumen durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Bildaufnahme und -aufzeichnung erheben, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen (siehe Gesetzliche Grundlage des § 30 Absatz 1 SächsPBG).
Aufgrund der Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs wird folgend auf die Darstellung des § 30 Absatz 1 Nr. 2 SächsPBG nicht weiter eingegangen, da insbesondere seine praktische Relevanz nicht fortbesteht.
Als datenschutzrechtlich vertretbare Gründe wurden anerkannt: Vandalismus oder Graffiti-Malereien in erheblichem Umfang, Brandstiftung und sonstige Sachbeschädigungen, Einbruch bzw. Diebstahl. Es muss zudem eine künftige erhebliche Gefahr vorliegen. Als Zweck der Überwachung wird eine Abschreckungs- und Vermeidungswirkung, aber auch Beweissicherung angeführt.
Knackpunkt der rechtlichen Prüfung für die Gemeinde ist an dieser Stelle, die richtige Norm zu wählen und ihren Anwendungsbereich zu bestimmen. Diese Abgrenzung tritt aus den erlassenen Gesetzesnormen selbst so nicht ganz eindeutig hervor und muss durch juristische Auslegung ermittelt werden. Für interessierte Bürger/innen und/oder Kommunen wird zu der Abgrenzung auf die bereits erwähnte »Orientierungshilfe zur Videoüberwachung durch Kommunen« (abrufbar unter: sdb.de/vue16) verwiesen. In dieser wird die Abgrenzung ausführlich beleuchtet.
Grob zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass die Abgrenzung nach dem Zweck der Maßnahme erfolgt: Liegt der Zweck der Videoüberwachung hauptsächlich in der Beobachtung eines bestimmten Bereichs öffentlicher Straßen, Plätze oder Grünanlagen, weil es dort wiederholt zu Verhaltensweisen von Personen gekommen ist, die in wiederholten, erheblichen Rechtsgutverletzungen münden, und soll die Videoüberwachung der Abwehr dieser Gefahr dienen, ist die Maßnahme zulässig, wenn die Voraussetzungen von § 30 SächsPBG vorliegen. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann die Gemeinde auch nicht auf § 13 SächsDSDG zurückgreifen (Sperrwirkung).
Beispiel: Auf einem städtischen Platz sammeln sich ständig Personengruppen zum gemeinsamen Drogen-/Alkoholkonsum. Es entstehen hieraus Pöbeleien, Belästigungen, Lärm, Müll; Passanten fühlen sich in der Gegenwart dieser Gruppe unsicher. Allein dieser Sachverhalt kann die Videoüberwachung des Platzes nicht rechtfertigen, da hier zwar durchaus eine unangenehme Situation, aber noch lange keine »erhebliche Gefahr«, wie vom Gesetz gefordert, vorliegt. Die Annahme im Sinne von § 30 Absatz 1 Nr. 1 SächsPBG, § 4 Nr. 3 Buchstabe c SächsPVDG würde dies nicht rechtfertigen. Die Voraussetzungen von § 30 Absatz 1 SächsPBG lägen nicht vor, eine Videoüberwachung wäre unzulässig. Ein Rückgriff auf § 13 SächsDSDG ist nicht möglich.
Nach der hier vertretenen Lesart der Vorschrift kann die Norm nur dann greifen, wenn der Aufgabenbereich des Ordnungsamtes (»Polizeibehörde« im landläufigen Sinn) betroffen ist. Es spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber nicht die Gemeinde als »Bündelungsbehörde« mit all ihren Aufgaben und verschiedenen besonderen Gefahrenabwehrzuständigkeiten in verschiedenen Ämtern im Blick hatte. Die besonderen gemeindlichen Polizeibehörden wie Umweltamt, Bauamt etc. sind in ihrer besonderen Aufgabe bei der Gefahrenabwehr nicht Normadressaten des § 30 Absatz 1 SächsPBG, sie können bei Vorliegen der Voraussetzungen auch auf die Möglichkeit der speziellen, funktions- oder verfahrensbezogenen Videoüberwachung öffentlich zugänglichen Raums nach § 13 Absatz 1 SächsDSDG zurückgreifen.
Auf die hier dargestellte Abgrenzung hat die jüngste Entscheidung des SächsVerfGH keine Auswirkungen, da § 30 Absatz 1 Ziffer 1 SächsPBG vom Verfassungsgerichtshof gehalten und als mit der Verfassung vereinbar erklärt wurde (siehe Neu seit 25. Januar 2024).
Voraussetzungen gemäß § 13 SächsDSDG
Handelt die Gemeinde somit nicht als Polizeibehörde, sondern im übrigen Aufgabenbereich, zur sogenannten Wahrung der gemeindlich-funktionalen Aufgabenerfüllung, richtet sich die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume nach § 13 Absatz 1 Sächsisches Datenschutzdurchführungsgesetz (SächsDSDG). Demnach ist Videoüberwachung nur zulässig, soweit dies zur Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe oder in Ausübung des Hausrechts erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen betroffener Personen überwiegen.
Hier geht es um die Wahrung der Funktionalität der Behörde, um die Wahrnehmung besonderer Verwaltungsaufgaben zumeist in einem räumlich eng begrenzten Bereich (Bauamt, Umweltamt, Abfallamt usw.), nicht dagegen um die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf einem nicht kommunalaufgabenspezifisch ausgerichteten öffentlich zugänglichen Platz.
Beispiel: Die Videoüberwachung im gemeindlichen Frei- oder Schwimmbad oder die Überwachung von Denkmälern zum Kulturgutschutz, die von Beschädigung/Graffiti betroffen ist. Auch kann beispielsweise die Überwachung von Abfallbeseitigungsanlagen inklusive des Umfeldes aufgrund illegaler Müllablagerungen darunter subsumiert werden.
Im Unterschied zu der oben erwähnten Überwachung nach § 30 Absatz 1 SächsPBG kann hier nur das Objekt selbst (Denkmal, Schwimmbecken oder Rutsche), nicht aber ganze Bereiche erfasst werden.
Zur Sicherung des Hausrechts können Gemeinden in den eigenen Räumen und den eigenen umfriedeten Bereichen videoüberwachen, soweit dies erforderlich ist und schutzwürdige Interessen nicht überwiegen. Auch hier kann nur das Gebäude (inklusive eines höchstens einen Meter breiten Streifens), nicht dagegen die Umgebung, überwacht werden. Zur Definition der weiteren Voraussetzungen wird auf die »Orientierungshilfe für die Videoüberwachung durch sächsische Kommunen« verwiesen.
Voraussetzungen der Videoüberwachung durch sonstige nichtkommunale öffentliche Stellen
Wollen sonstige öffentlichen Stellen, die weder kommunal oder polizeilich Aufgaben erfüllen – so beispielsweise Landesbehörden, Hochschuleinrichtungen, aber auch staatliche oder kommunale Kliniken, die eigenen Gebäude oder umfriedete Flächen videoüberwachen – so richtet sich dies ausschließlich nach § 13 Absatz 1 SächsDSDG. Die Norm des § 30 Absatz 1 SächsPBG spielt für diese Stellen keine Rolle. Hier wird der Schwerpunkt auf der Durchsetzung des Hausrechtes liegen. Dieser Punkt entspricht in etwa dem »berechtigten Interesse« für nichtöffentliche Einrichtungen (siehe dazu ausführlich Wann ist Videoüberwachung erlaubt?).
Als Faustregel gilt: die Videoüberwachung zum Schutz des Hausrechtes ist dann zulässig, wenn diese erforderlich und verhältnismäßig ist. Es dürfen zudem die entgegenstehenden Interessen nicht überwiegen. Daraus folgt, dass allenfalls das Objekt (bzw. der umfriedete Bereich) samt eines höchstens einen Meter breiten Streifens überwacht werden kann (siehe Voraussetzungen der Videoüberwachung gemäß § 13 SächsDSDG).
). Der Verantwortliche muss geltend machen, dass es zu Vorfällen (Straftaten/erheblichen Störungen) gekommen ist, diese künftig auch befürchtet werden (ausführlicher zur Verhältnismäßigkeit siehe Verhältnismäßigkeit, insbesondere Erforderlichkeit einer Videoüberwachung).
Eine Besonderheit ergibt sich für die Überwachung von öffentlichen Kliniken. Hierzu wird auf die obigen eingehenden Ausführungen zu den privaten medizinischen Einrichtungen – und insbesondere den dort aufgezeigten strengen Wertungen des Bundesverwaltungsgerichtes – verwiesen (siehe Videoüberwachung in medizinischen Einrichtungen), da die Wertungen dem Grunde nach dieselben sind.
Ob das Klinikum von privater oder öffentlicher Hand betrieben wird, kann schließlich dem Grunde nach nicht ausschlaggebend sein. Nur wenn das Klinikum sich auf Vorfälle in der Vergangenheit beruft und hinreichende Anhaltspunkte auf künftige Vorfälle hindeuten, kann die Überwachung des Eingangsbereiches bzw. des Vorplatzes oder der Zufahrt zulässig sein. Keinesfalls dürfen Behandlungsräume bzw. Stationen überwacht werden.
Für den Maßregelvollzug (freiheitsentziehende Unterbringung von psychisch kranken oder suchtkranken Straftätern) in psychiatrischen Krankenhäusern gilt zudem die Sonderregel des § 39b Sächsisches Psychisch-Kranken-Gesetz (SächsPsychKG).