Rechtsgrundlagen der kommunalen Videoüberwachung
Jegliche Überwachungsmaßnahmen stellen zunächst einen Eingriff in das verfassungsmäßig garantierte Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person/en dar. Alle Menschen haben das Recht zur freien Bewegung in der Öffentlichkeit, und zwar, ohne dass dies von staatlichen oder öffentlichen Stellen kontrolliert oder erfasst wird. Videoüberwachung ist deshalb nur dann zulässig, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt und die darin vorgesehenen Voraussetzungen allesamt erfüllt sind.
Weder in der Sächsischen Gemeindeordnung noch in der Sächsischen Landkreisordnung findet sich eine ausdrückliche Regelung zur Videoüberwachung. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich vielmehr in zwei anderen Gesetzen.
Wird die Gemeinde als allgemeine oder besondere Polizeibehörde tätig, findet sich eine Regelung zur Videoüberwachung in § 30 Absatz 1 Sächsisches Polizeibehördengesetz (SächsPBG).
Wird die Gemeinde nicht als Polizeibehörde tätig, kann bei Vorliegen der strengen Voraussetzungen auf die gesetzliche Grundlage des § 13 Sächsisches Datenschutzdurchführungsgesetz (SächsDSDG) zurückgegriffen werden.
Gesetzliche Grundlage des § 30 Absatz 1 SächsPBG
Mit der Novellierung des Polizeirechtes im Freistaat Sachsen mit Wirkung zum 1. Januar 2020 erfolgte eine grundlegende Neustrukturierung der Polizei. Damit einher ging der Wechsel vom Einheitssystem zum Trennungssystem. Dadurch erfolgte die gesetzliche Trennung in Polizeivollzugsdienst (klassische Polizei in Uniform) und Polizeibehörden. Die Aufgabe der (nicht-straftatenbezogenen) Gefahrenabwehr obliegt dabei beiden öffentlichen Stellen. Ortspolizeibehörde ist die Gemeinde (§ 1 Absatz 1 Nr. 4 SächsPBG).
Anders als früher (vgl. § 1 Absatz 1 SächsPolG alte Fassung) liegt die Aufgabe der Verhinderung/Verhütung von Straftaten und deren vorbeugende Bekämpfung nunmehr allein beim Polizeivollzugsdienst (§ 2 Absatz 1 Satz 3 SächsPVDG); den Gemeinden als Polizeibehörden obliegt ausschließlich die Gefahrenabwehr (§ 2 Absatz 1 SächsPBG).
Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche von DSGVO und Richtlinie (EU) 2016/680: Tätigkeitsbericht 2019, 2.1.1, Seite 24
Der Erfüllung der Aufgaben der Gefahrenabwehr dient auch die Regelung des § 30 SächsPBG. Nach § 30 Absatz 1 SächsPBG können Gemeinden als Polizeibehörden
»personenbezogene Daten in öffentlich zugänglichen Räumen durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Bildaufnahme und -aufzeichnung erheben,
(1) soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen,
(2) oder dies insbesondere zum Schutz gefährdeter öffentlicher Anlagen oder Einrichtungen erforderlich ist.«
Seit 25. Januar 2024: § 30 Absatz 1 Nr. 2 SächsPBG verfassungswidrig
Mit Urteil vom 25. Januar 2024 hat der Sächsische Verfassungsgerichtshof (Az. Vf. 91-II-19) im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle zur verfassungsrechtlichen Prüfung einzelner Vorschriften des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes, des Sächsischen Polizeibehördengesetzes und des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes nunmehr über die Verfassungsmäßigkeit auch dieser Normen entschieden.
Die Regelung des § 30 Absatz 1 Nr. 2 SächsPBG wurde für verfassungswidrig erklärt. Demnach genügt die Vorschrift nicht den Anforderungen an die verfassungsrechtlich geforderte Bestimmtheit und Normenklarheit. Kassiert wurde dabei nur die zweite Alternative der Regelung, § 30 Absatz 1 Nr. 1 SächsPBG wurde dabei als mit der Verfassung vereinbar (verfassungskonform) erklärt. Auch die Verfassungsmäßigkeit von § 30 Absatz 2 SächsPBG (Löschung und Weiterverarbeitungsbefugnis) wurde bestätigt.
Der Gesetzgeber hat nunmehr bis 30. Juni 2026 Zeit, die Regelung neu zu fassen.
Der Sächsische Verfassungsgerichtshof führt dazu aus, dass § 30 Abs. 1 Nr. 2 SächsPBG keine hinreichend bestimmten und klaren Vorgaben zu Anlass, Zweck und Grenzen der Maßnahme enthält. Weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, welche öffentliche Anlagen oder Einrichtungen erfasst werden oder wann sie als gefährdet gelten sollen. Unklar ist auch, welchen Grad bzw. welche Intensität die Gefahr annehmen muss, damit eine Überwachung gerechtfertigt sein kann. Ein innerer Zusammenhang zwischen den erwarteten Gefahren für die geschützten Objekte und einer besonderen, auf tatsächlichen Anhaltspunkten basierenden Gefährdungslage ist ebenfalls nicht erkennbar. Begrenzt wird die Datenerhebung allein durch das Gebot der Erforderlichkeit.
Bis zur Neuregelung, so der Sächsische Verfassungsgerichtshof, ist die Regelung zwar weiterhin anwendbar, aber mit folgender Maßgabe:
Nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SächsPBG darf Videoüberwachung nur an oder in Objekten im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsPVDG oder in deren unmittelbaren Nähe vorgenommen werden, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen werden, durch die Personen, Sach- oder Vermögenswerte gefährdet werden.
In § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsPVDG sind folgende Objekte erfasst:
- Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung
- öffentliche Verkehrsmittel
- Amtsgebäude, oder einem besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon
Die Regelung ist somit in § 30 Abs. 1 1. Alternative SächsPBG aufgegangen und enthält – zumindest bis zu ihrer Neuregelung durch den Gesetzgeber – somit keinen erheblichen Anwendungstatbestand. Zur Videoüberwachung eigener Amtsgebäude wird für Kommunen auch unabhängig hiervon empfohlen, auf das eigene Hausrecht zurückzugreifen.
Gesetzliche Grundlage des § 13 Absatz 1 SächsDSDG
Nach der Norm des § 13 Absatz 1 SächsDSDG – Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume – ist eine Erhebung personenbezogener Daten mithilfe von optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung), deren Speicherung und sonstige Verarbeitung zulässig, soweit dies jeweils
- Alternative: zur Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe oder
- Alternative: in Ausübung des Hausrechts erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen betroffener Personen überwiegen.